Volvo Trucks

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In die kleinen Gänge schalten

Die I-Shift-Familie hat Zuwachs bekommen: I-Shift mit Kriechgängen. Das neue Getriebe ermöglicht das Anfahren aus dem Stand bei einem Gesamtgewicht von bis zu 325 Tonnen.
Nahaufnahme von I-Shift-Bauteilen.
Viele der neuen Bauteile des neuen I-Shift-Getriebes bestehen aus hochfesten Werkstoffen.

Wenn der Boden gefriert, beginnt in Nordschweden die Hochsaison für Langholztransporte. Die Temperaturen sind extrem und fallen nicht selten auf -30 Grad und darunter, aber auf dem gefrorenen Boden der Forstwege kommen die Lkw nun besser voran. Schwieriger ist hingegen das Vorankommen im Frühjahr und im Herbst. Dann weichen Regen und Schmelzwasser den Boden auf und machen das Fahren mit einem 24 Meter langen Langholzzug zu einer echten Herausforderung.

„Mit dem Wetter haben wir am meisten zu kämpfen. Wir sind oft auf schmalen Wegen und an schlecht zugänglichen Stellen unterwegs, wenn die Wälder sehr durchnässt sind“, erzählt Fahrer Jonas Lundmark, der gerade mit dem Beladen seines Langholzzuges fertig geworden ist.

Ein vollbeladener Holzzug wiegt 64 Tonnen, und man kann sich gut vorstellen, dass das Anfahren mit einem so schwer beladenen Fahrzeug inmitten der schwedischen Wälder alles andere als einfach ist. Jonas klettert ins Fahrerhaus und schaltet das neue I-Shift-Getriebe von Volvo Trucks mit Kriechgängen in den kleinsten Gang. Es folgt eine leichte Berührung des Gaspedals, und schon setzt sich der Lkw langsam in Bewegung.

„Das neue I-Shift-Getriebe verfügt über zwei Kriechgänge, die extrem nützlich sind, wenn ich unter schwierigen Bedingungen anfahren muss und das Fahrzeug schwer beladen ist“, sagt Jonas.

Das neue I-Shift verfügt über zwei Kriechgänge, die extrem nützlich sind, wenn ich unter schwierigen Bedingungen anfahren muss und das Fahrzeug schwerbeladen ist.

Er ist einer der Testfahrer, die das neue Getriebe seit 18 Monaten in der Praxis erproben.

„Wir haben 250.000 Kilometer mit diesem Getriebe abgespult, und es hat einwandfrei funktioniert.“

Das Übersetzungsverhältnis im kleineren der beiden Kriechgänge beträgt 32:1, was halb so kurz ist wie bei einem normalen I-Shift-Getriebe. Darüber hinaus besitzt das Getriebe von Jonas auch zwei Rückwärtsgänge mit einer Übersetzung von 37:1 im kleineren Gang. 

 

In manchen Situationen, wenn die Wege in einem schlechten Zustand sind oder auf bestimmtem Terrain, finde ich die Rückwärtsgänge genauso nützlich. Damit kann ich auch dort schwerbeladen zurücksetzen, wo es früher praktisch unmöglich war,“ sagt Jonas.

Nicht selten muss Jonas das Holz aufladen, während sein Fahrzeug mitten an einer Steigung auf einem aufgeweichten Forstweg steht. Als Jonas noch einen Lkw mit herkömmlichem I-Shift-Getriebe fuhr, musste er beim Anfahren auf die Anfahrhilfe des Getriebes zurückgreifen.

„An steilen Anstiegen oder auf unwegsamem Untergrund ist der Power-Start die einzige Möglichkeit, das Fahrzeug in Bewegung zu setzen. Das heißt, ich lasse den Motor ziemlich hoch drehen und dann manuell die Kupplung kommen. Normalerweise funktioniert das auch, aber es bedeutet eine große Belastung für den Antriebsstrang und man kann sich leicht festfahren, weil die Räder durchdrehen. Bei dem neuen Getriebe muss ich lediglich den richtigen Anfahrgang wählen und behutsam losfahren, was den Verschleiß des Antriebsstrangs auf ein Minimum reduziert“, erklärt Jonas.

Die Erprobung des neuen Getriebes erfolgt mit mehr als 40 Testfahrzeugen in allen Teilen der Welt – von den riesigen Wäldern Schwedens bis zu den Höhenlagen der südamerikanischen Anden. Niklas Öberg ist der für die Tests zuständige Ingenieur und freut sich über die Zusammenarbeit mit den Testfahrern.

„In der Praxis gibt es Herausforderungen, die viel anspruchsvoller sind als das, was wir in unseren Testlabors simulieren können. Die Rückmeldungen von Fahrern wie Jonas sind deshalb unglaublich wertvoll. Die Fahrer sind bestens mit den Einsatzbedingungen vertraut und wissen genau, auf welche Funktionen es ankommt.“

In der Praxis gibt es Herausforderungen, die viel anspruchsvoller sind als das, was wir in unseren Testlabors simulieren können. Die Rückmeldungen von Fahrern wie Jonas sind deshalb unglaublich wertvoll.

Niklas Öberg ist eine von rund 100 Personen, die an der Entwicklung des neuen Getriebes beteiligt waren. Er bezeichnet das Funktionsprinzip des neuen Getriebes als vergleichsweise einfach. Durch das Hinzufügen eines Untersetzungsgetriebes zwischen Kupplung und Grundgehäuse eines herkömmlichen I-Shift-Getriebes lässt sich dieses um ein oder zwei zusätzliche Kriechgänge und zwei zusätzliche Rückwärtsgänge erweitern.

„Außerdem haben wir die Vorgelegewellenbremse verbessert, mit der die Vorgelegewelle beim Schalten abgebremst wird. Dadurch lassen sich steile Anstiege im schwerbeladenen Zustand besser bewältigen“, erklärt Niklas Öberg.

Verschiedene Bauteile des neuen Getriebes, darunter Zahnräder und Kupplungsmuffen, wurden im Hinblick auf erschwerte Einsatzbedingungen verstärkt. Lkw mit extrem hohen Gesamtzuggewichten erhalten überdies verstärkte Kardanwellen, die ein höheres Drehmoment vertragen.

„Wir müssen die Kardanwelle verstärken, damit die Anfahreigenschaften gleich bleiben, wenn das Gesamtzuggewicht zunimmt und die Gesamtübersetzung länger wird“, sagt Niklas Öberg. „Folglich werden Trucks mit einem Gesamtzuggewicht von 65 Tonnen eine verstärkte Kardanwelle haben, die für ein Drehmoment von 33.000 Nm statt der üblichen 28.000 Nm ausgelegt ist.“

Das Herunterschalten in den kleinsten Kriechgang ist so wirkungsvoll, dass ein 325 Tonnen schweres Fahrzeug auf ebener Fahrbahn aus dem Stand anfahren kann – ein absolutes Novum für Schwerlastfahrzeuge mit automatisiertem Getriebe.

 

„Je schwerer die Fracht und je schlechter die Straße oder das Gelände, desto mehr profitiert der Fahrer von einem Lkw, der mit I-Shift mit Kriechgängen ausgestattet ist. Der Fahrer kann schwere Lasten transportieren, ohne Angst haben zu müssen, in Situationen zu geraten, die im schlimmsten Fall zu kostspieligen Ausfallzeiten führen“, betont Peter Hardin, Produktmanager für die Baureihen FM und FMX bei Volvo Trucks.

Je schwerer die Fracht und je schlechter die Straße oder das Gelände, desto mehr profitiert der Fahrer von einem Lkw, der mit I-Shift mit Kriechgängen ausgestattet ist.

Das neue Getriebe ist wahlweise als Direktgang- oder Overdrive-Getriebe für die 13- und 16-Liter-Motoren der Modelle Volvo FM, FMX, FH und FH16 erhältlich. Folglich eignet sich das Getriebe für die unterschiedlichsten Transportaufgaben.

Unter anderem eignet sich das Getriebe perfekt für Baustellen- und Wartungseinsätze, weil die Kriechgänge auch sehr langsame Fahrgeschwindigkeiten ermöglichen.

„Mit diesem Getriebe sind Fahrgeschwindigkeiten von 0,5 bis 2 km/h realisierbar. So langsam fahren zu können, ist bei diesen Aufgaben eine große Hilfe, weil die Fahrer viel präziser arbeiten können und so ein besseres Ergebnis erzielen. Zudem kann man mit dem I-Shift-Getriebe mit Kriechgängen auch sehr langsam zurücksetzen – ein großer Vorteil, wenn größte Präzision beim Rückwärtsfahren gefragt ist“, sagt Peter Hardin.

Kleinen Transportfirmen, die auf anspruchsvollen Strecken unterwegs sind, bietet I-Shift mit Kriechgängen größtmögliche Flexibilität und die Möglichkeit, noch wirtschaftlicher zu agieren.

„Während Kriechgänge das Anfahren mit hohen Gesamtzuggewichten in Extremsituationen ermöglichen, sind nun auch Hinterachsübersetzungen realisierbar, die die Motordrehzahl bei Normalgeschwindigkeit verringern, was wiederum dem Kraftstoffverbrauch zugute kommt. Für Transportfirmen, die in diesem Segment tätig sind, ist dies von großer Bedeutung“, fügt Peter Hardin hinzu.

Unterdessen sitzt Jonas Lundmark wieder am Steuer seines Lkw. Er hat den schmalen Forstweg verlassen und nimmt Kurs auf das Sägewerk, bei dem er seine Fracht abladen wird. Jonas leitet die Firma gemeinsam mit seinem Vater. Die beiden und ein dritter Fahrer legen rund 4.000 Kilometer in der Woche zurück.

„Als Langholzfahrer geraten wir häufig in Situationen, die uns eine Menge abverlangen. Deshalb sind wir für jede Lösung dankbar, die unsere Arbeit erleichtert. Mit dem neuen Getriebe fühlt man sich sicherer, weil man weiß, dass das Anfahren kein Problem ist.

Funktionsweise: I-Shift mit Kriechgängen

Das hohe Übersetzungsverhältnis des I-Shift-Getriebes mit Kriechgängen wird durch ein neues Untersetzungsgetriebe ermöglicht, um das das herkömmliche I-Shift-Getriebe erweitert wurde.

Zusätzliches Untersetzungsgetriebe
Das zusätzliche Untersetzungsgetriebe sitzt unmittelbar hinter der Kupplungsglocke des Getriebes und besteht aus zwei zusätzlichen Zahnrädern, von denen eines auf der Antriebswelle und das andere auf der Vorgelegewelle montiert ist. Das zusätzliche Untersetzungsgetriebe ermöglicht eine Getriebeuntersetzung, die fast doppelt so kurz ist wie bei einem normalen I-Shift-Getriebe.

Überarbeitetes Getriebe
Um Platz für das zusätzliche Untersetzungsgetriebe zu schaffen, wurde das herkömmliche I-Shift-Getriebe um zwölf Zentimeter verlängert. Viele der neuen Bauteile, darunter Zahnräder und Kupplungsmuffen, bestehen aus hochfesten Werkstoffen.

Übersetzungsverhältnis
Das Übersetzungsverhältnis bezeichnet den Drehzahlunterschied zwischen der Antriebs- und der Abtriebswelle eines Getriebes. Ein Direktganggetriebe hat ein Übersetzungsverhältnis von 1:1 im höchsten Gang. Mit anderen Worten: Beide Wellen drehen sich gleich schnell. Beim I-Shift-Getriebe mit Kriechgängen dreht sich die Abtriebswelle 32 Mal schneller als die Kurbelwelle, wenn der kleinste Gang eingelegt ist. Mit anderen Worten: Das Übersetzungsverhältnis beträgt 32:1.